Griechischstunden von Han Kang

Griechischstunden

von Han Kang

Zu sehen ist das Lesetagebuch mit Sketchnotes zur Rezension vom Roman: Griechischstunden von Han Kang erschienen im Aufbau Verlag

Meine Meinung

Das Cover ist in blau und weiß gehalten und spiegelt so die Farben von Griechenland wieder. Zu sehen ist ein Meander Motiv in blau auf weißem Grund. Im Zentrum kann man den Kopf einer Frau erkennen. Mir sprang das Cover ins Auge und so war ich neugierig auf die Geschichte dahinter. 

Griechischstunden von Han Kang erschien im Aufbau Verlag. Ich wurde auf den Roman aufmerksam, durch den Literatur Nobelpreis für die Autorin im letzten Jahr. Von ihr habe ich bereits „Die Vegetarierin“ gelesen, es war im gewissen Sinne verstörend und nachdenklich zu gleich. Mit Griechischstunden hat die Autorin einen ganz anderen Ton getroffen. Hier geht es um zwei Menschen, die sich in Seoul beim Griechischunterricht kennenlernen. Sie ist dort als Schülerin und verfolgt Stumm den Unterricht, da sie ihre Stimme verloren hat, nach dem man ihr ihren Sohn entzogen hat. Er ist der Griechischlehrer, der sich akribisch auf seinen Unterricht vorbereitet, da ihm nach und nach das Augenlicht abhanden kommt. Er wuchs zwischen zwei Kulturen auf und lässt und als Leser daran teilhaben. 

Die Geschichte wird aus zwei ganz unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Zum Einen haben wir da eine weibliche Person, deren Namen wir nicht erfahren. Sie erzählt aus der dritten Person. Sie ist eine gebildete Frau, die in ihrer Sprachlosigkeit gefangen zu sein scheint. Sie ist in der Welt der Sprachen zu Hause und so lernt sie Altgriechisch. Zu ihr ist mir folgendes Zitat in Erinnerung geblieben.

„Sie schreibt: διεφθάρθαι [Anm. ist beschädigt] Ein Wortsinn, kalt und hart wie eine Säule aus Eis. Ein Wortsinn, so selbsterklärend, dass kein weiteres Wort nötig ist. Ein Wortsinn, der, hat man sich einmal entschlossen, das Wort auszusprechen, eine unwiderrufliche Aussage macht.“

Zum Zweiten ist da ein männlicher Ich-Erzähler. Er ist der Griechischlehrer, der in seiner Jugend mit seiner Familie nach Deutschland auswanderte und nun wieder in Südkorea lebt und sein Wissen weiter gibt. Er lernt jeden einzelnen Moment von seinem Unterricht zu Hause auswendig, damit niemandem auffällt, wie wenig ihm seine Augen noch von der Welt zeigen. Er besitzt eine dicke Brille und kann nur mit viel Licht und einer Lupe noch einzelne Worte erkennen. 

„Als schließlich die Nacht hereinbrach, setzte ich mich auf den Boden des hölzernen Vorbaus eines großen Versammlungsraums, um das Schauspiel der Lichter zu beobachten, wenn die Lampions durch einen Windhauch in Bewegung gerieten.“

„Die roten Lampions, die sich über meinem Kopf aneinanderreihten, schaukelten leise im Wind, Schönheit und Ruhe ausstrahlend, einfach nur perfekt.“

Abwechselnd darf ich beiden Erzählern lauschen und immer tiefer in deren Vergangenheit eintauchen. Ich erlebe, wie sie an den heutigen Punkt gekommen sind, an dem sie in der Griechischstunde aufeinandertreffen. Fasziniert war ich von der gänzlichen Namenlosigkeit der Figuren. So kann man als Leser nicht wirklich eine Verbindung zu den Personen aufbauen, sondern bleibt als Betrachter im Nebel stehen. Nach und nach ergibt sich mir der Sinn der Erzählung und ich verfolge gespannt das Fortschreiten der Erblindung und den Versuch aus der der Sprachlosigkeit herauszukommen. Wie können die zwei miteinander kommunizieren? Die Frage habe ich mir immer wieder gestellt. Und warum besucht jemand einen Sprachkurs, der keine Stimme mehr hat? Diese Fragen werden dir beim Lesen bestimmt aufkommen. Tauche ein in diese nachdenkliche und tiefgründige Geschichte auf der Suche nach Antworten. 

Bist du bereit für einen Roman der aktuellen Literatur Nobelpreisträgerin Han Kang? Für mich ist es der zweite Roman der Autorin, der mir sehr viel besser als der erste: Die Vegetarierin gefallen hat. Die Sprache kommt ganz ähnlich gewaltig daher, doch sind hier die Figuren nicht verstörend gezeichnet, sondern man kann eine gewisse Bindung zu ihnen aufbauen, auch wenn sie bis zum Ende als Namenlose Wesen stehen bleiben. Es ist keine Geschichte für zwischendurch, sondern ein Buch das zum Nachdenken und Mitdenken einlädt. Wie würde es dir ergehen, wenn du wüsstest in naher Zukunft würde dein Augenlicht verschwinden? Wie kämmst du damit klar, wenn dir in deiner Sprachlosigkeit dein Kind genommen würde? Dies sind nur ein paar Fragen, die durch den Roman angeregt werden. Ich empfehle das Buch gerne weiter, für alle die ungewöhnliche und Tiefgründige Geschichten mögen, die nicht einfach nur der Unterhaltung dienen, sondern eher in der aktuellen Literatur verortet sind.

Inhaltsangabe

Nobelpreis für Literatur 2024»Griechischstunden« erzählt die Geschichte zweier gewöhnlicher Menschen, die sich in einem Moment privater Angst begegnen. Han Kang hat einen schillernden Roman über die rettende Gnade der Sprache geschrieben.  

In einem Klassenzimmer in Seoul beobachtet eine junge Frau ihren Griechischlehrer. Sie versucht, zu sprechen, aber sie hat ihre Stimme verloren. Ihr Lehrer fühlt sich zu der stummen Frau hingezogen, denn er verliert von Tag zu Tag mehr von seinem Augenlicht. Bald entdecken die beiden, dass ein tiefer Schmerz sie verbindet. Sie hat in nur wenigen Monaten sowohl ihre Mutter als auch den Kampf um das Sorgerecht für ihren neunjährigen Sohn verloren. Für ihn ist es der Schmerz, zwischen Korea und Deutschland aufzuwachsen, zwischen zwei Kulturen und Sprachen hin- und hergerissen zu sein. 
Langsam entdecken die beiden ein tiefes Gefühl der Einheit, und ihre Stimmen überschneiden sich mit verblüffender Schönheit.

Bibliografie

Autor: Han Kang
Genre: Belletristik
Verlag: Aufbau Verlag
ISBN/ ASIN: 978-3351037925
Erscheinungsdatum: 14. Februar 2024
Format: gebundenes Buch, Ebook und Hörbuch erhältlich bei Amazon*
Seitenzahl: 205
Leseexemplar: Ja
Vielen Dank für das Rezensionsexemplar, es wurde mir vom Aufbau Verlag über Netgalley zur Verfügung gestellt. Meine Meinung wurde dadurch nicht beeinflusst.


Quellen:
Klappentext und Cover Original: ©Aufbau Verlag

*Affiliate Link – Ich erhalte eine kleine Provision. Der Preis bleibt für dich unverändert.

Die Vegetarierin von Han Kang

Die Vegetarierin

von Han Kang

Zu sehen ist die Seite von Kerstins Lesetagebuch mit Sketchnotes zur Rezension vom Buch: Die Vegetarierin von Han Kang erschienen im Aufbau Verlag

Meine Meinung

Das Cover ist sehr vielschichtig und offenbart erst bei näherer Betrachtung alle Details. Beim ersten Blick habe ich einfach nur rosa Blüten auf einem dunklen Untergrund gesehen. Schaut man aber genauer hin erkennt man ein Stück Fleisch, eine Hand, eine Zunge und einen Strohhalm. Um so länger man das Bild betrachten, um so mehr entdeckt man dort und ich verspreche dir, du wirst noch viel mehr zwischen den Blüten sehen, als ich hier jetzt aufgezählt habe. 

Die Vegetarierin von Han Kang erschien im Aufbau Verlag. Ich wurde auf das Buch aufmerksam, durch die Verleihung des Nobelpreises für Literatur 2024, mit dem die Autorin ausgezeichnet wurde. Aus Neugierde habe ich geschaut, welche Bücher sie veröffentlicht hat und so fiel mein Blick auf „Die Vegetarierin“. Ohne mich mit dem Inhalt wirklich zu befassen habe ich das Buch gewählt und traf auf eine ganz ungewöhnliche Geschichte. Die ich ohne die Verknüpfung zum Nobelpreis für Literatur vermutlich nie gelesen hätte. Aber so fühlte ich mich ein wenig in meine Schulzeit zurückversetzt und folgte der Erzählung, die mich von Anfang an, an Franz Kafka denken ließ, dazu später mehr. 

Die Geschichte lässt sich gut lesen. Formal ist sie geprägt durch kurze prägnante Sätze, die allerdings sehr wortgewaltig daher kommen. Die Erzählung ist in drei Teile gegliedert, die jeweils von Yong-hye handeln und ihren kontinuierlichen Verfall der äußeren Körperhülle zeigen. Ob sie nun wirklich unter einer psychischen Krankheit leidet oder auch in gewissem Sinne keinen anderen Ausweg sieht, möchte ich nicht beurteilen. Sie zeigt ein sehr gestörtes Verhältnis zum Leben in einer Gemeinschaft.

Der mysteriöse Traum aus dem ersten Abschnitt sorgt für den weiteren Verfall. Hier gibt Chong, Yong-hyes Ehemann einen Einblick in das gemeinsame Leben und zeigt auf, wie sie zur Vegetarierin wird. Alles klingt etwas verstörend und auf mein eigenes Leben nicht adaptierbar. Beim Lesen bekam ich ganz schnell eine gesunde Distanz zu den Figuren und ließ mich auf das Kopfkino der besonderen Art ein. Nur hier kommt die scheinbare Protagonistin in die Position der Ich-Erzählerin in Form der mysteriösen Träume. Ansonsten übernimmt im ersten Abschnitt ihr Ehemann den Part des Ich-Erzählers und danach folgen im zweiten und dritten Abschnitt jeweils Erzähler in der dritten Person. Den Anfang übernimmt der Schwager und übergibt dann an die ältere Schwester der Protagonistin. 

Ich habe das Buch gelesen, weil ich neugierig auf die Preisträgerin des Literatur Nobelpreises war und als Buchbloggerin unbedingt mir selbst einen Eindruck von ihrem Schreibstil machen wollte. Es ist kein Buch, das zur Unterhaltung einlädt, sondern mehr eine Geschichte zum Nachdenken und interpretieren. Zu Beginn wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass es eine kafkaeske Erzählung ist. Worauf ich vorhin schon kurz hingewiesen habe. Beim Lesen konnte ich immer wieder diesen Vergleich ziehen und kam mit dem, was ich von Franz Kafka selbst gelesen habe zu einem ganz ähnlichen Schluss. 

Man muss sich einfach mal auf diesen Erzählstil einlassen und bekommt dann eine einzigartige Geschichte. Besonders interessant, gerade für mein künstlerisches Herz fand ich den zweiten Teil der Geschichte. Hier nimmt der Schwager, der als Künstler tätig ist die Erzählung in seine Hand und lässt mich als Leser zu nächst an seinen Visionen teilhaben, um uns dann live mit zu seinem Kunstprojekt zu nehmen. Er malt nicht nur Kunstwerke auf die Haut von Menschen, sondern fängt dieses Unterfangen mit der Kamera ein und schneidet daraus ein ganz besonderes Video. Durch die detaillierte Beschreibung seiner Aktion, hatte ich Yong-hye direkt vor Augen, wie sie von oben bis unten mit Blumen bemalt ist. Fasziniert habe ich seine Schilderungen verfolgt und konnte das fertige Kunstobjekt vor mir sehen. Freue dich nach dem ersten sehr ernsten und irgendwie skurrilen Teil auf einen farbenfrohen zweiten Abschnitt. Der zwar nicht weniger skurril ist, dafür aber einfach was fürs Auge macht. 

Traust du dich, einfach mal etwas ganz anderes zu lesen? Dann öffne „Die Vegetarierin“ von Han Kang und reise in eine andere Welt. Versuche den obskuren Gedanken der Protagonistin zu folgen und erfreue dich, an deinem ganz normalen Leben. Lasse dich ein auf eine Geschichte, die ein wenig an Franz Kafka erinnert und dich so schnell nicht wieder loslässt. Ich empfehle das Buch gerne weiter und schließe mit einem ganz passenden Zitat ab.

„Argwohn, Misstrauen, Feindseligkeit und Neugier sind in ihren Blicken zu lesen. Sie kümmert sich nicht darum, sie ist daran gewöhnt.“

Inhaltsangabe

Ein hypnotisierendes Buch über eine Frau, die sich gegen ihren Mann auflehnt, indem sie eines Tages beschließt, kein Fleisch mehr zu essen und von einem Leben als Pflanze träumt.

Yong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine leidenschaftslose, pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt wirft »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt Vegetarismus als subversiv. Und bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.

Bibliografie

Autor: Han Kang
Genre: Belletristik
Verlag: Aufbau Verlag
ISBN/ ASIN: 978-3746633336
Erscheinungsdatum: 15. September 2017
Format: Ebook, Taschenbuch, gebundenes Buch und Hörbuch erhältlich bei Amazon*
Seitenzahl: 190
Leseexemplar: Ja
Vielen Dank für das Rezensionsexemplar, es wurde mir vom Aufbau Verlag über Netgalley zur Verfügung gestellt. Meine Meinung wurde dadurch nicht beeinflusst.


Quellen:
Klappentext und Cover Original: ©Aufbau Verlag

*Affiliate Link – Ich erhalte eine kleine Provision. Der Preis bleibt für dich unverändert.